2c_272/2019: Dreistheit im Multipack › Foren › Zweitwohnungen › Der Zweitwohnungsbesitzer — Versuch einer Selbstdefinition
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11. August 2016 um 12:36 #1724
Die Gemeinde meines Zweitwohnsitzes spricht mich in ihren Schreiben immer als Feriengast bzw. als Vermieter an. Ich fühle mich jedoch nicht als Gast und vermiete meine Wohnung nicht. Auch mache ich kaum ‘Ferien’ in meiner zweiten Wohnung. Im Unterschied zu einem Feriengast investiere ich einen grossen Teil meiner Freizeit in den Unterhalt und in die Renovation der Wohnung sowie für die Pflege des Gartens eben weil beides mir gehört. Richtige Ferien verbringe ich gerne anderswo.
Am Ort meines Zweitwohnsitzes muss ich ‘Kurtaxe’ bezahlen. Weshalb hat ein Wochenaufenthalter aus einem Ferien- oder Kurort an seinem allfälligen Zweitwohnsitz in der Stadt nicht dieselbe Verpflichtung? Benutzt er dort in seiner Freizeit nicht die zahlreichen Angebote, die eine Stadt zu bieten hat? Ich besitze eine Zweitwohnung, die ich für mich eingerichtet habe und die ich ebenso wenig vermiete wie andere ihre eigene Wohnung während ihrer Ferienabwesenheit. Bin ich nun ein Kurgast, weil ich Kurtaxe bezahlen muss? Ich komme nicht zu einer Kur und lasse mich auch nicht als Gast bewirten. Der Begriff Stammgast trifft auch nicht zu. In meiner Zweitwohnung fühle ich mich nicht anders als ein Tages- oder Wochenaufenthalter, gleichsam als ‘Teilzeit-Einwohner’ in der Gemeinde meiner Zweitwohnung.
Bin ich nun ein Tourist oder gar ein Tourismusinteressierter? Ein Tourist ist ein Urlauber, der vor Ort keinen Besitz hat. An Touristen habe ich kein spezielles Interesse; ich möchte ja wie ein nicht vom Tourismus lebender Einheimischer nur meine Ruhe geniessen können. ‘Touristischen Anlagen’ haben für mich im Gegensatz zur Natur und zu den Menschen kaum Anziehungskraft. Verantwortung oder Pflichten für den Erfolg von ‘Touristischen Anlagen’ lasse ich mir nicht einfach anlasten, fehlen mir doch am Ort meiner Zweitwohnung sämtliche politischen Rechte.
Was bin ich jetzt? Ein Schweizer Bürger mit zwei Wohnsitzen. Der Hauptwohnsitz wird definiert mit dem Lebens-Mittelpunkt. Da geniesse ich alle politischen Rechte, und da entrichte ich den Hauptteil meiner Steuern. Am Zweitwohnsitz fällt der andere Teil meiner Steuern an neben dem vollen Betrag der ortsüblichen Gebühren.
Was schulde ich denn noch dem Ort meines Zweitwohnsitzes? Muss ich mich zuerst zum Touristen, Feriengast, Ferienwohnungsbesitzer, Vermieter oder Kurgast diskriminieren lassen, um dann Zusatzsteuern wie Übernachtungstaxe, Gästetaxe, Kurtaxe, Beherbergungstaxe, Tourismus-Förderungstaxe, Parkplatzgebühren oder gar eine Zweitwohnungssteuer bezahlen zu dürfen?
Begriffsverschiebungen und ihre Folgen
Mit derartigen Verschiebungen der Anwendung von Begriffen und dem damit verbundenen Bedeutungswandel lässt sich gerade in gewissen ,,Destinationen” sehr gut Geld eintreiben. Aus einer bescheidenen Übernachtungstaxe wurde die ‘Kurtaxe’ geschaffen. Aus der Kopfsteuer ‘Kurtaxe’ wurde für den Zweitwohnungsbesitzer plötzlich eine Zwangs-Jahrespauschale entwickelt.
Diese erscheint in der Form einer eigentlichen Bettensteuer multipliziert mit einer fix angenommenen, hohen Anzahl Übernachtungen. Die Anzahl der Betten wird als ‘Bettenfaktor’ willkürlich von der Zimmerzahl der Wohnung abgeleitet. Damit wurde aus einer ursprünglich bescheidenen und altersmässig abgestuften Übernachtungstaxe eine Zweitwohnungssteuer kreiert. Die am meinem Zweitwohnort ansässigen Einheimischen mit Zweitwohnungen, Alphütten und Maiensässen innerhalb der Gemeinde sind von dieser Steuer nicht betroffen. Bezahlen sollen diese verkappte Zweitwohnungssteuer nur die auswärtigen Zweitwohnungsbesitzer.
Da die damit erzielten Einnahmen noch immer nicht für all die hochgegriffenen Tourismusprojekte der Einheimischen genügen, wird die Höhe der ursprünglichen Kurtaxe mit einem wilden Mix aus Zwangsabonnementen und Zwangsrabattierungen plötzlich mehr als verdoppelt.
Aus gut tönenden, jedoch falschen und damit fehlleitenden Begriffsanwendungen wurden so für auswärtige Zweitwohnungsbesitzer letztlich diskriminierende Zusatzsteuern entwickelt.
P.S: Der obige Text entstammt einer Zuschrift, die moosalbi.ch erreichte und die hier gerne publiziert wird.
11. August 2016 um 13:15 #1744Dem sei hier angeführt, dass wir nur über den grossen Zaun blicken müssen, um zu erahnen, wohin die Reise führen kann, wenn das Maas an Tourismus- und sonstigen Steuern beliebig geöffnet wird.
Deutschland kennt mittlerweile selbstverständlich die Kurtaxe für die Tagesgäste, die Zweitwohnungssteuer, die dann – beruflich bedingt – allfällig wieder von den Steuern abgezogen werden kann. Dies wiederum führt dazu, dass plötzlich alle Zweitwohnungen beruflich bedingt sind, womit die Zweitwohnungssteuer fast nur noch ausländische Eigentümer/innen betrifft. Nun wollte gar Berlin verbieten, dass diese ‘gebeutelten’ Ausländischen ihre Zweitwohnung an Touristen vermieten dürften, eine Vermietung schade dem knappen Angebot an Wohnraum in Berlin (sic!).
Wenigstens haben nun drei Klagende aus Rostock, Schweden und Italien in erster Instanz Recht erhalten, sie dürfen die Wohnung in Berlin (wohl verstanden nur mit einer Ausnahmebewilligung, aber immerhin) doch vermieten, siehe dazu:
Der aktuelle Versuch im Wallis, über eine pauschalisierte Kurtaxe (die rechtlich im kantonalen Tourismusgesetz gar nicht haltbar ist) eine Zweitwohnungssteuer über z.T. mehr als 2000 Franken zu etablieren, wird dem Tourismus nichts bringen (der Tourismus wird noch teurer, als er schon bisher ist), sehr wohl wird damit aber das Eigentum der betroffenen Eigentümer/innen massiv beschnitten, was zu einer partiellen Enteignung und z.B. in Leukerbad zu einem Massenverkauf führt. Dem lokalen Tourismus wird dabei genauso wenig geholfen sein wie dem knappen Wohnangebot in Berlin. Wohl aber werden sich betroffene Eigentümer/innen überlegen, ob sie denn dort überhaupt noch Eigentum haben woll(t)en.
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