Fusionitis in der Moosalpregion

Ein weiterer Bürchner Albtraum

Flachland, 4. September 2018: mooszwergli.ch wartet noch immer auf das Urteil des Bundesgerichtes zur Kurtaxe. Dass ein solches Urteil auf sich warten lässt (wir sind mittlerweile im zweiten Jahr!), dies erstaunt mooszwergli.ch weniger als die Tatsache, dass die Bürchner Verantwortlichen keine Gelegenheit auslassen, um einmal mehr wider jeder Vernunft gegen das Tourismusgesetz und die eigenen Vereinsstatuten in krassester Weise zu verstossen.

Verein Bürchen Tourismus löst sich faktisch auf

Bereits anfangs August wurde von den Verantwortlichen über die Medien angekündigt, dass in Bürchen neu die Moosalp Tourismus AG für alle Belange der Moosalp Bergbahnen als auch des Vereins Bürchen Tourismus zuständig sein werde. Das Vorgehen blieb aber sehr nebulös und auch mit der offiziellen Einladung zur ausserdordentlichen Generalversammlung des Vereins Bürchen Tourismus wird nur in Ansätzen klar, was genau geplant wird.

Gemäss Traktandum 5 geht es darum, dass der Verein 41 Prozent der neu zu gründenden Moosalp Tourismus AG erwirbt und dafür alle Aktiven und Passiven des Vereins an diese neue Unternehmung abtritt. Mooszwergli.ch liegen Unterlagen vor, die detailliert aufzeigen, welche Änderungen geplant sind. Eines vorweg, faktisch wird der Verein damit aufgelöst, denn wer alle Aktiven und Passiven über Jahre unkündbar abtritt, entmachtet sich komplett und unwiderruflich. Gemäss dem Entwurf der Leistungsvereinbarung wird diese über fünf Jahre abgeschlosen, unwiderruflich und unkündbar:

Doch welche Kompetenzen werden der neuen Unternehmung übertragen:

Offen gestanden, überträgt der Verein Bürchen Tourismus damit sämtliche Aktivitäten für minimal fünf Jahre unkündbar an die Moosalp Tourismus AG. Welche Mittel erhält die neue AG?

Auch wenn die definitiven Beträge noch nicht eingesetzt sind, faktisch ist absehbar, dass sämtlichen Erträge an die neue Unternehmung übertragen werden. Fragt sich einfach, ob dies zulässig ist? Die aktuellen Statuten sind nicht auf der Homepage moosalpregion.ch einsehbar, sie wurden erst auf Nachfrage beim Tourismusbüro ausgehändigt. Doch welche Änderungen soll es in den Statuten geben?

Die geplanten Änderungen zeigen auf, dass der Zweck des Vereins komplett entleert wird. Dazu passt, dass er sich auch jegwelcher Kompetenz über die Finanzen entledigt:

Was für einen Sinn soll ein touristischer Verein ergeben, wenn er nicht einmal mehr die Rechnungen für die Kurtaxen und die Tourismusabgabe erhebt?

Massive Verletzung der Statuten und des Tourismusgesetzes

Statutenänderungen, wie sie aktuell geplant sind, sind absolut unzulässig. So ist z.B. der Vorstand nach Art. 27 Abs. j für die Bestellung des Geschäftsleiters verantwortlich, in der geplanten Moosalp Tourismus AG würde der Vorstand zwar Einsitz nehmen, er kann aber den Geschäftsleiter gerade nicht bestimmen, da ihm die dazu notwendige Mehrheit fehlt. Zudem ist der Vorstand für die Finanzen direkt verantwortlich und der Gemeinde gegenüber rechenschaftspflichtig (Art. 27 Abs. f).

Nach den Art. 35 bis 37 der Statuten müsste der Verein, wenn er keine aktiven Tätigkeiten mehr wahrnimmt, erstens eine Auflösung traktandieren (Art. 36, Auflösung des Vereins) und zweitens müssten dann die Aktiven an die Gemeinde (Art. 37) zurückgegeben werden. All dies findet nicht statt. Die geplante GV verstösst daher krass gegen die eigenen Statuten. Doch selbst wenn eine Kompetenz (z.B. über eine Delegation) geschaffen würde, so stünde eine solche offensichtlich im Widerspruch zum kant. Tourismusgesetz. Eine Delegation des Tourismusvereins an eine Drittfirma ist dort nicht vorgesehen.

Es wäre zwar möglich, die touristischen lokalen Aufgeben anstelle an den Tourismusverein an eine kapitalisierte Firma (GmbH oder AG) zu übertragen, aber diese Kompetenzenabtretung müsste zwingend von der Gemeinde aus ergehen, dem Verein Tourismus Bürchen fehlt dafür jegliche Kompetenz.

Warum wird derart auf das Gaspedal gedrückt?

Einmal angenommen, ein solches Traktandum könnte in Einklang mit Statuten und Gesetz gebracht werden, so fragt sich, warum dieses Vorgehen gerade jetzt in Angriff genommen wird?

Klar ist, werden die Bergbahnen und das Tourismusbüro vereint, so zahlen die Bergbahnen keine Tourismusabgabe. Allerdings geht es hier maximal um einige wenige Zehntausende von Franken pro Jahr. Dazu müsste der Verein Bürchen Tourismus wohl kaum faktisch liquidiert werden.

Giesskannensystem mit neuen Bergbahngesetz

Wenn mooszwergli.ch nach Gründen sucht, so erinnert sich mooszwergli.ch vage daran, dass im vergangenen Mai ein Bergbahngesetz im Wallis verabschiedet wurde, das staatliche Hilfen über 270 Mio für die Bahnen vorsieht.

Ursprünglich ging es darum, dass jene Bergahnen hätten gefördert werden sollen, welche eine bestimmte wirtschaftliche Grösse haben, um eine Strukturbereinigung heranzuführen (z.B. auch durch Fusionen kleinerer Bergbahnen). Hilfe sollte nur enthalten, wer mindestens 2 Mio Jahresumsatz erreicht und die Unterstützung war auf maximal 30 Prozent der Investitionen vorgesehen.

Wer das verabschiedete Bergbahngesetz liest (es wurde am 22. Juni 2018 publiziert, die Frist für das Referendum läuft am 22. September 2018 ab), reibt sich beim Lesen von Art. 8 verwundert die Augen, sieht das Gesetz doch vor, dass bis zu 70 Prozent der Investitionen finanziert werden. Anstelle der 2 Mio Umsatz werden in Art. 5 eine EBITDA-Marge von minimal 20 Prozent gefordert. Die EBITDA-Marge bedeutet, dass nach Abzug der Betriebskosten und der Löhne der Ertrag noch 20 Prozent des Umsatzes umfassen muss.

Konktret auf die Moosalp Bergbahnen übertragen bedeutet dies, dass diese im Geschäftsjahr 2016/17 einen Umsatz von 1.123 Mio Franken erwirtschaftete. EBITDA wird in Betriebsertrag 1 mit 0.218 Mio Franken ausgegeben. Um die 20 Prozent EBITDA zu erreichen, müssten die Bergbahnen aber 0.224 Mio Franken (20 Prozent von 1.123 Mio) ausweisen können, und genau dies gelingt aktuell nicht mehr.

Dazu ist folgendes zu sagen. Aus den 0.218 Mio EBITDA resultierte 2015/16 ein Verlust über 0.201 Mio Franken. Gemäss Branchenanalyse Bergbahnen OTX-C Research (OTC-X ist die elektronische Handelsplattform der BEKB | BCBE für nichtkotierte Schweizer Aktien) vom 31.10.2017 auf Seite 17 entsprechen 17 Prozent einer ungenügenden und 42 Prozent einer sehr guten Marge in der Branche. Das Walliser Bergbahnengesetz unterstützt nun aber bereits Unternehmen mit minimal 20 Prozent.

Mit anderen Worten, es werden im Giesskannensystem Gelder verteilt. Damit werden nicht längerfristig jene Bahnen mit Zuschüssen versorgt, die allfällig überlebensfähig sind, sondern faktisch fast alle Unternehmen. Eine Bereinigung des Marktes wäre dringend nötig, wird durch das neue Gesetz aber geradezu torpediert.

Gemäss CRED-Bericht der Universität Bern vom 10 vom Juli 2016, der sich mit der kommunalen Bergbahnfinanzierung auseinandersetzt, wird auf Seite 53 angeführt, dass bei reinen Verkehrsbahnen die EBITDA-Marge 34 Prozent erreichen müsste, damit diese als genügend taxiert werden kann. Diese 34 Prozent seien notwendig, damit die Bahn Ersatzinvestitionen bzw. hinreichend Abschreibungen tätigen könne, um mittel- bis langfristig zu überleben.

Die CRED-Studie stellt auf Seite 97 denn auch fest: "Mit dem Festhalten an bestehenden Strukturen durch öffentliche Finanzhilfen und dem Erstellen neuer Transportanlagen, um konkurrenzfähig zu bleiben, werden Investitionsentscheidungen getroffen, die massive Auswirkungen auf künftige Generationen haben können. Gewisse Problematiken, wie beispielsweise notwendige strukturelle Anpassungen, werden so aufgeschoben und dürften künftigen Generationen dereinst zur Last fallen."

Unzulässige Sanierung der Bahnen über Kurtaxen

Zurück zu den Moosalp Bergbahnen AG. Die finanzielle Situation ist derart desolat, dass sie aktuell keine Finanzhilfen mit dem Bergbahnen-Gesetz erhalten wird, da sie nicht einmal jene mirkigen 20 Prozent erreicht, die notwendig sind, um Gelder zu erhalten.

Werden nun alle Aktivitäten in der Moosalp Tourismus AG vereinigt, gibt es keine eigene Buchhaltung mehr für die Bergbahnen und das Tourismusbüro. Damit lässt sich der Aufwand der Bergbahnen buchhalterisch geschickt reduzieren, indem z.B. die Gehälter jener, die an sich für bergbahntechnische Belange arbeiten, über die Kurtaxen bezahlt werden.

Unter diesem Gesichtspunkt wird die EBITDA-Marge schnell auf über 25 Prozent anwachsen, womit die Moosalp Bergbahnen den geplanten 5 Mio. teuren Speichersee mit bis zu 70 Prozent über das Bergbahngesetz finanzieren können. Unter diesen Umständen mag das geplante Vorgehen lokalkoloritsch betrachtet sogar Sinn ergeben. Dumm nur, dass dies im krassen Widerspruches zu Statuten und dem Tourismusgesetz steht.

Nun wissen die Verantwortlichen natürlich schon, dass der Tourismusverein selber keine Bergbahnen betreiben kann. Ebenso klar ist ihnen (die Bergbahnen sind derart überschuldet), dass sie mit eigener Kraft keine Hilfe über das neue Bergbahn-Gesetz in Anspruch nehmen könnten. Und genau daher ist die neue touristische Unternehmung Moosalp Tourismus AG notwendig.

Ein Plus resultiert einzig bei den Schulden

Ob die Rechnung aufgeht, darf sehr bezweifelt werden, denn erstens verbleiben bei den Bahnen mehr als 2.5 Mio Schulden und zweitens erfolgt die Finanzierung über das Bergbahnengesetz mit Darlehen und Bürgschaften. Mit anderen Worten, die Schulden steigen abermals, die Betriebskosten ebenso. Dass die aktuelle Strategie im übrigen krass im Widerspruch zu den strategischen Leitlinien steht, wo die Abhängigkeit vom Wintertourismus hätte reduziert werden sollen, sei hier auch der Vollständigkeit halber auch noch erwähnt.

Den Verantwortliche sei an dieser Stelle der 1815.ch-Artikel «Schneekanonen stoppen den Klimawandel nicht» vom 23.8.2018 als Lektüre empfohlen. Und wie im Artikel richtigerweise festgestellt wird, das Problem liegt ja nicht nur beim Klimawandel, sondern fast noch mehr im parallel ansteigenden Betriebsaufwand der technischen Beschneiung bei gleichzeitig deutlich rückläufigen Skitagen, die verkauft werden können.

Das Beispiel Bürchen zeigt eindrücklich auf, was passiert, wenn der Staat mal schnell mit 270 Mio. Franken zur Seite steht, ohne dass dies kritisch hinterfragt wird. Zwar wird ja durchaus (siehe oben) eingeräumt, der Klimawandel lasse sich nicht aufhalten und Investitionen in neue Bahnanlagen seien nicht (mehr) nachhaltig, dass aber das neue Bergbahngesetz solche Investitionen für weitere Jahrzehnte erst ermöglichen wird, darüber wird weder lokal noch national nirgends berichtet.

Mooszwergli.ch hat im Blog zum Fall Grächen aufgezeigt, dass schweizweit pro Jahr 400 Mio. Franken "ergaunert" werden. Mooszwergli.ch stellt ernüchternd fest, dass sich die Presse dafür offensichtlich nicht interessiert. So schreibt die Republik in einer Mail: "Das ist sicher ein Problem, aber es ist zu speziell für ein allgemeines Publikationsmagazin wie die Republik." Wie bitte, 400 Mio. Tricksereien sind zu allgemein? Da dürften dann 270 zusätzliche Millionen für die Bergbahnen auch kein Problem darstellen — und die faktische Auflösung des Vereins Bürchen Tourismus wäre wahrlich nur ein Klacks dagegen.

Was aber, wenn das Bürchner Beispiel Schule macht, wer zahlt am Schluss die Zeche? Wer wird zukünftigen Generationen erklären, wie damals die Ressourcen verpulvert wurden? Welchen Anreiz gibt es in einem solchen System (selbst für aktuell gut arbeitende Bahnen), in Zukunft noch nach wirtschaftlichen Kriterien zu wirtschaften?

Was ist zu tun? Wo bleibt die Presse, die öffentliche Hand?

Mitglieder des Vereines sollten die Generalversammlung aufsuchen und gleich zu Beginn markant darauf hinweisen, dass das Vorgehen sich nicht mit Statuten und dem Tourismusgesetz vereinbaren lässt. Selbstverständlich steht es den Gemeinden Bürchen und Törbel frei, zusammen eine touristische AG zu gründen, diese aber wird nicht gleichzeitig die Bergbahnen betreiben können, schon gar nicht Bergbahnen, die massiv überschuldet sind.

Jedem Vereinsmitglied, das a) entweder nicht an der GV teilnimmt, b) sich an der GV der Stimme enthält oder c) gegen Traktandum 5 stimmt, steht eine Anfechtungsklage offen. Alternativ können Aufsichtsbeschwerden an die Gemeinde bzw. den Staatsrat geschickt werden (diese können sich dadurch nicht einer Aufsichtspflicht durch Unwissenheit entziehen). Privatrechtich können Beschlüsse der GV beim Zivilgericht angefochten werden.

Es sei hier aber auch angeführt, dass es an sich an den staatlichen Stellen und an der Presse liegen würde, dafür zu sorgen, dass derartige Vorgänge nicht stattfinden. Nochmals: Wenn ein touristischer Verein, der aktuell zu fast 100 Prozent durch öffentliche Gelder gespiesen wird, sämtliche Aktivitäten unkünbar und unwiderruflich für die nächsten fünf Jahren an eine Drittfirma mit einer Blanko-Vollmacht abtritt, sich im Kern entmachtet, so ist dies in jeder Hinsicht nicht nur ein Novum mit weitreichenden Folgen (andere defizitäre Destinationen werden hier sicher folgen, um auch Gelder für die Bergbahnen zu erhalten), es ist schlicht und einfach rechtlich unhaltbar.

Zum Abschluss noch dies. die geplante neue AG soll sich gemäss Entwurf wie folgt zusammensetzen:

Daraus lässt sich unschwer ablesen, dass nicht nur der Verein Bürchen Tourismus entmachtet würde, sondern auch sowohl die Gemeinde und der Tourismusverein Törbel komplett zu Statisten degradiert würden. In diesem Sinne appelliert mooszwergli.ch an die Akteure in Törbel, einem solchen Gebaren keine Unterstützung zukommen zu lassen, da sie damit sämtlichen Gestaltungsspielraum verlieren werden.

 

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