Vernehmlassung zur Kurtaxe

Viel Juristenfutter in Bürchen und Unterbäch

Bürchen, 11. Februar 2018: Wer sich auf eine Klage einlässt, benötigt einen langen Atem. Nicht nur, dass bereits die Klage nach allen Ecken und Enden juristisch korrekt abgefasst werden muss, es hat dies alles in exakt 30 Tagen zu erfolgen. Danach passiert zunächst einmal nichts. Die Klage von moosalbi.ch wurde anfangs September eingereicht, die Antwort der Gemeinde Bürchen erfolgte am 13. November 2017, in Unterbäch dauerte es gar bis zum 27. November 2017 (mit grosszügiger Fristverlängerung).

Happy New Year mit Einschreiben aus Lausanne

Von dem erfährt moosalbi.ch aber erst im Jahre 2018. Die Verfügung des Bundesgerichtes vom 29. Dezember 2017 verpasste moosalbi.ch wandernd in der Toskana bei frühlingshaften Temperaturen. So wird moosalbi.ch anfangs 2018 mit der Frist bis zum 1. Februar 2018 zur Antwort jäh in die Kurtaxenrealität katapultiert. Fünf Exemplare hat moosalbi.ch einzureichen, obwohl es nur die Gemeinde Bürchen als Beklagte gibt. Anderen Klägern geht es mit vier Exemplaren etwas besser.

Von fehlenden und gewogenen Akten

Moosalbi.ch stellt bald fest, da fehlen Akten und fragt beim Bundesgericht nach, wie es denn passieren könne, dass nicht alle Akten der Beklagten beim Kläger eintrafen. Klagen bzw. Vernehmlassungen würden je einzeln nach Gewicht mit der Waage erfasst. Ob denn das Gewicht beim Exemplar, das dem Bundesgericht vorliegt, stimme, fragt moosalbi.ch nach. Das Dossier sei gerade nicht auffindbar, wird moosalbi.ch beschieden, allfällig nicht vorhandene Akten könnten aber per Mail erfragt werden und siehe da, zwei Tage später darf moosalbi.ch ein Einschreiben mit den fehlenden Akten entgegennehmen. Durch Nachfrage bei anderen Klägern konnte moosalbi.ch feststellen, in mindestens drei von fünf Vernehmlassungen in Bürchen und Unterbäch fehlte ein Teil der Akten.

Haarsträubende Vernehmlassungen

Die Vernehmlassungsantworten der Gemeinde Bürchen und Unterbäch setzten sich in weiten Teilen nicht mit den Klagen auseinander, vielmehr 'kreierten' diese eine Art Gegenklage. Darin werden Tatsachen und Fakten auf den Kopf gestellt, bis dass die Balken krachen. Hinzu kommt, in sehr pauschalisierter Form werden den Klagenden Rügen unterstellt, die diese gar nie eingereicht haben.

Beispiele für Irrungen aus der Vernehmlassung: Im Falle von Bürchen werden gute 30 Seiten Mails und Briefe von Zweitwohnenden aus den Jahren 2013 bis 2015 eingereicht. Alle beschwerten sich damals wegen der Lenkungsabgabe, im Aktenverzeichnis der Beklagten wird dies als 'Statistik Belegung Zweitwohnungen' aufgeführt. In der Vernehmlassungsantwort steht dazu: “Gemäss Beleggruppe 3 zeigt sich nämlich eine Nutzung von deutlich mehr als 56 bzw. 49 Nächte.”

Nur, Beleggruppe 3 umnfasst keine rechtsgenügenden Angaben (unbestimmte Angaben in Mails oder Briefen reichen nicht) und zweitens ist die Anzahl mit ca. 1 Prozent der Zweitwohnungen statistisch nicht relevant. Die Gemeinde Bürchen reicht ja nicht einmal eine Statistik ein, trotzdem wird es in der Vernehmlassung als Fakt angeführt.

Dann wiederum werden die Zahlen so gegliedert, dass (wer nicht genau hinschaut) annehmen wird, dass es weit mehr Nächte gibt, als vorhanden sind. Selbstverständlich wird dabei natürlich kein Gesamttotal der Nächte angegeben. Dazu ein weiteres Beispiel:

Parahotellerie mit Eigenlogie: 33023
Parahotellerie ohne Eigenlogie: 28074
Parahotellerie nur Eigenlogie: 4949

Kleine Quizfrage, wie viele Nächte gibt es bei der Parahotellerie? Über den Daumen gepeilt um die 66'000 Nächte? Nein, denn Parahotellerie mit Eigenlogie ist da Total aus 'ohne Eigenlogie' und 'nur Eigenlogie', denn es gibt bei der Parahotellerie 33023 Nächte (28074+4949) insgesamt. Derartige Schnitzer gibt es in den Vernehmlassungen viele.

Weiteres Beispiel: Die Vernehmlassungen führen eine hohe Grauziffer aus. Bürchen glaubt dies mit einem Zeitungsartikel belegen zu können, wonach in Bellwald die Belegung im letzten Jahr um 59 Prozent höher ausgefallen sei. Warum dies so sein sollte, oder Zahlen finden sich keine. Des Rätsels Lösung findet sich im Newsletter 12/2017 der IG Zweitwohnungen Goms:

https://www.igzw-goms.ch/dokumente/Newsletter_12_2017_vom_15.12.2017.pdf

Darin wird ausgeführt, dass seit der Pauschalisierung die vollen Betten mit offensichtlich zu hohen Nächten (Bellwald 54, Goms 57 Nächte) in die Statistik einfliessen, die effektiven Logiernächte werden nicht erfasst. Schon ziemlich dreist, erst unhaltbar hohe Nächte fakturieren, diese dann rein rechnerisch in die Statistik übertragen und am Ende noch behaupten, die Grauziffer sei massiv, obwohl die effektiven Nächte nie erfasst wurden.

Letztlich musste moosalbi.ch (den anderen Klägern erging es nicht besser) die gesamte Vernehmlassung akribisch untersuchen, um dazu Stellung nehmen zu können. Der Aufwand für die Antwort auf die Vernehmlassung war daher nochmalig weit höher, als das Abfassen der Klage selber. Moosalbi.ch weiss zwar (noch) nicht, ob die Antwort den bundesrichterlichen Ansprüchen genügt, doch hat moosalbi.ch mittlerweile gelernt (siehe Fall Leukerbad, 2C_519/2016), das Bundesgericht beurteilt die Faktenlage offenbar alleine aufgrund der eingereichten Schriftstücke.

Null Risiko für Gemeinden, Kosten für Kläger und überforderte Gerichte

Das Risiko für die Gemeinden, es mit der Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen, ist gering, für allfällige Kosten kommt am Ende das Gemeinwesen auf. Anders die Sachlage für die Klagenden. Lassen sie sich anwaltschaftlich vertreten, erhalten sie (selbst wenn sie obsiegen), nur einen Teil der Kosten zurück. Lassen sie sich anwaltschaftlich nicht vertreten, erhalten die Kläger gar keine Vergütung.

Mit anderen Worten, selbst wenn die Klagenden gewinnen, ist es für sie ein Verlustgeschäft, das sie aus der eigenen Kasse oder über das eigene Zeitbudget berappen müssen. Hinzu kommt, dass die Chance vor Bundesgericht Recht zu erhalten, nicht allzu hoch ist. Gerne möchte moosalbi.ch an dieser Stelle auf den folgenden Artikel vom Tages-Aneziger verweisen:

https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Bundesrichter-nicken-Urteile-oft-nur-noch-ab/story/17105283

Der Artikel beruht auf einer Auswertung aller Urteile des Bundesgerichtes zwischen 2007 und 2016. Rechtsprofessor Marc Thommen, der selber vier Jahre Gerichtsschreiber am Bundesgericht war, rechnet darin vor, dass ein Bundesrichter pro Tag ein Urteil verfassen und bei einem zweiten mitentscheiden müsste.

Und weil dies offensichtlich nicht möglich ist, wird die Hauptarbeit von den Gerichtsschreiber/innen erledigt. Thommen führt gemäss Artikel aus, dass nur jeder zehnte Urteilsvorschlag der Gerichtsschreiber/innen nachhaltig korrigiert würde, d.h. 90 Prozent aller Urteile verfassen Juristen, die vom Parlament eben gerade nicht gewählt wurden.

Dabei würden Urteile “sehr erledigungsorientiert” abgefasst. Dies alleine schon deshalb, weil eine Gutheissung deutlich mehr Arbeit bedeute als eine Ablehnung. Rechtsprofessor Marc Thommen sagt dazu (Zitat): “Manche Gerichtsschreiber machen es sich einfacher als andere. Man findet nämlich immer ein Haar in der Suppe, um eine Beschwerde abzuweisen”. Ermutigend sind solche Zahlen nicht, der Rechtssicherheit dienlich im übrigen auch nicht.

Aktueller Stand in Bürchen und anderswo

Moosalbi.ch kann aktuell keine Prognose abgeben, wohin die Reise mit den Kurtaxen in Bürchen und Unterbäch führen wird. Die Vernehmlassungsantwort von moosalbi.ch wurde fristgerecht eingereicht, moosalbi.ch wartet nun (wie die übrigen Kläger) auf das Urteil des Bundesgrichtes. Gemäss internen Quellen sind ca. 60 Einsprachen in der Gemeinde Bürchen betreffend der Fakturierung der Kurtaxe für das Jahr 2017/18 eingegangen. Hängig sind die Urteile zur Kurtaxe im Goms und Bellwald, diese Klagen wurden Ende 2016 eingereicht. Im Saastal haben verschiedene Kläger die Rechnungen angefochten, wann und ob dazu jemals rechtsverbindliche Urteile erfolgen werden, wird sich zeigen.

'Sanierungsfall' Leukerbad

Von Leukerbad gibt es zu berichten, dass der dortige Verein zwar die 50 Nächte (nachdem moosalbi.ch aufzeigte, dass es nicht einmal die Hälfte sind) als zu hoch erachtet. Gemäss Protokoll GV vom 29.12.2017 begnügt sich der Verein aber damit, eine Arbeitsgruppe zu bilden, welche Zahlen zu den Belegungen sammeln will. Aus dem Protokoll nicht ersichtlich ist, ob/dass eine Einsprache ans Bundesgericht erfolgt(e), weder zu den unhaltbar hohen 50 Nächten, noch zur eigenmächtigen Änderung des Staatsrates betreffend der zweijährigen Befristung des Reglements (erstaunlich, dass der Staatsrat als Exekutive für die Gemeindeversammlung Leukerbad Recht erlässt).

Moosalbi.ch möchte anfügen, dass es Kontakte zu Mitgliedern des Vereines Leukerbad-Albinen gab. Moosalbi.ch hat dabei mehreren Vorstandsmitgliedern empfohlen, die erneute Homologierung anzufechten, erhielt dabei aber nicht den Eindruck, dass dieser Weg ernsthaft in Betracht gezogen worden wäre und so erstaunt es moosalbi.ch auch nicht, dass dies (offenbar) nicht erfolgte.

Randnotiz: Im Vorstand gibt es mehrere Juristen, ein Mitglied hat eine Rechtsprofessur in Fribourg inne. Zwei Vorstandsmitglieder und mehrere Juristen klagten gegen die Kurtaxe, unterliessen es aber, Zahlen zur Belegung einzureichen, noch diese Zahlen in der Vernehmlassung zu hinterfragen (siehe 2C_519/2016, Erwägung 3.3.2 mit nicht existierendem Verweis auf 1.4.4).

Wie gesagt, zwischen dem September und Dezember 2017 gab es einige Telefonate und Mails mit einzelnen Mitlgiedern des Zweitwohnungsvereins Leukerbad-Albinen, wobei aber niemand die Frage beantworten konnte, warum die Zahlen der Gemeinde nicht widerlegt wurden. Nach Ansicht von moosalbi.ch hat gerade der Zweitwohnungsverein von Leukerbad-Albinen es verpasst, mit einer erneuten Klage endlich für Klarheit zu sorgen. So aber zahlen die Zweitwohnenden in Leukerbad für weitere Jahre 50 Nächte, die es nirgends gibt.

Warten und erloschene Feriengefühle

Was bleibt von der Vernehmlassungsrunde, von vielen Telefonaten und viel Aufwand? Vorläufig bleibt moosalbi.ch nur das Warten. In Bürchen selber ist moosalbi.ch derweil deutlich seltener, denn wie moosalbi.ch bereits früher ausführte, Ferien verbringt moosalbi.ch mittlerweile lieber anderswo. Vielleicht wird ja dereinst der Lauf der Zeit oder eine andere Willkommenskultur dazu führen, dass wieder Feriengefühle entstehen können.

Wenn moosalbi.ch aber das aktuelle Stelleninserat liest, wonach die hochverschuldeten Bergbahnen mit dem Tourismusverein zwangsfusioniert werden sollen (und bereits ein Gipfelstürmer für eine Stelle gesucht wird), so ist dies zwar erneut fernab jeglicher touristischer Gesetzeslage (aber auch jegwelcher touristischer Vernunft), doch dies scheint die Verantwortlichen nicht zu interessieren. Es bleibt folglich wenig Hoffnung auf (nahe) Besserung.

« Zurück: 2018Weiter: Video Moosalp — Warten auf Entscheid »


Facebook
Google+
http://mooszwergli.ch/cms/archiv/2018-2/vernehmlassung/">
SHARE