'Staatsrechtliche' Beschwerde doch angenommen
Moosalbi.ch hat am 27. Januar den nachfolgenden eingeschriebenen Brief erhalten:
CANTON DU VALAIS
KANTON WALLIS
Departement des finances et des institutions
Service affaires des intérieures et communales
Departement für Finanzen Institutionen
Dienststelle für innere und kommunale Angelegenheiten
Einschreiben
Unsere Ref. SP/mb
Ihre Ref.
Datum 27. Januar 2015
Beschwerde vom 7./8. Januar 2015 bezüglich Reglement zur Förderung der Bewirtschaftung von Zweitwohnungen der Gemeinde Bürchen vom 9. Dezember 2014
Der Eingang der oben genannten Eingabe wird bestätigt. Nachstehend teilen wir Ihnen mit was folgt: Das Reglement zur Förderung der Bewirtschaftung von Zweitwohnungen ist erst nach Publikation im Amtsblatt innert 30 Tagen anfechtbar. Die Publikation erfolgte am Freitag, 23. Januar 2015. lhre Eingabe ist folglich zwar zu früh erfolgt, sie wird dennoch als Beschwerde entgegen genommen. Der Schriftenwechsel wird nach Ablauf der Beschwerdefrist eröffnet werden.
Freundliche Grüsse
Silas Providoli
Av. de la Gare 39, 1950 Sion Tel. 0276064770 – Fax 0276064754
Die dazugehörende PDF-Datei findet sich hier. Welch eine Überraschung? Moosalbi.ch war einigermassen perplex. Da durchwühlt moosalbi.ch mehrere juristische Bücher und unendlich viele Gesetze, um herauszufinden, wer nun wann wie wo und was warum anfechten muss, und dann findet die 'staatsrechtliche' Beschwerde von alleine den Weg in die richtige Amtsstube.
Nachfolgend sei versucht aufzuzeigen, warum moosalbi.ch relativ lange brauchte, um die verschlungenen Wege im Walliser Recht (wenn überhaupt und nächträglich) einigermassen verstehen zu können. Da steht am Anfang das unsägliche Bürchner Reglement, das pauschalisiert primär auf das nationale (RPG) und kantonale Raumplanungsrecht (kRPG) verweist. Daneben wird beiläufig noch das Gesetz über das Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege (VVRG) genannt. Nach Ansicht des Bürchner Gemeinderates durchläuft das Reglement einzig Art. 34 kRPG (datiert vom Mai 2014). Dies trifft dann zu, wenn es um individuelle Fragen in Bezug auf einzelne Parzellen geht (wie auch bereits früher auf dieser Seite korrekterweise angenommen).
Hier wird eine frühzeitige Mitwirkung der Bevölkerung ausdrücklich erwünscht. Normalerweise werden dabei bereits die erarbeiteten Entwürfe publiziert, sodass jedermann Gelegenheit hat, vom Vorentwurf Kenntnis zu nehmen und schriftliche Vorschläge einzureichen (Art. 33 Abs. 2 kRPG). Dies ist jedoch nicht zwingend, die Behörden können auch direkt einen Entwurf nach Art. 34 kRPG öffentlich auflegen. Die betroffenen Eigentümer müssen dann im Rahmen einer Beschwerde Stellung beziehen, inwiefern ihr Eigentum 'beschnitten' wird und dabei verlangen, die Beschwerdebehörde müsse sich im vollen Umfange mit den eingebrachten Argumenten auseinandersetzen.
Dies ist allerdings nur die eine Seite, die andere Seite ist die, dass nach Bundesgerichtsgesetz (BGG) Art. 86 Abs. 2 seit dem Jahre 2007 kantonale Vorinstanzen bestehen müssen, diese sind für die Kantone zwingend, d.h. sie können diese Rechte nicht beschneiden. Nun besagt VVRG Art. 75, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unzulässig a) gegen Verfügungen über die Genehmigung von Erlassen. Dies mündete bei moosalbi.ch darin, dass, weil keine Rechtsmittel im Walliser Recht gefunden werden konnten, um den Erlass generell abstrakt überprüfen zu lassen, dass eben die abstrakte Normenkontrolle direkt beim Bundesgericht notwendig schien. Nun erfordert Art. 86 Abs. 2 BGG seit dem 1.1.2007, dass immer ein kantonales Rechtsmittel dem Gang ans Bundesgericht vorausgeht. Allerdings macht das BGG eine Ausnahme in Art. 87 Abs. 1 BGG, die Beschwerde gegen Erlasse ist zugelassen, sofern kein kantonales Rechtsmittel besteht.
Nun wäre es an sich naheliegend gewesen, besagten Art. 75 VVRG im Walliser Recht so abzuändern, dass dort neu stünde, welche Instanz neu anzurufen ist. Der Walliser Gesetzgeber entschied sich leider für VVRG Art. 77bis: "In den in Artikel 75 und 76 genannten Fällen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde dennoch zulässig, wenn das Bundesrecht ein oberes Gericht als unmittelbar dem Bundesgericht vorangehende Instanz verlangt." Soweit moosalbi.ch dies versteht, ist seit dem 1.1.2007 immer ein kantonales Rechtsmittel anzurufen, es sei denn es handle sich um neue Erlasse und in diesem Zusammenhang besteht kein anderes Rechtsmittel.
Die gewählte Formulierung in Art. 77bis wird primär dazu führen, dass niemand versteht, was Sache ist. Moosalbi.ch möchte dem anfügen, dass selbst die Klage einer anderen Partei (die moosalbi.ch zur Verfügung stand und die immerhin von einem ausgebildeten Juristen stammt) ebenso die abstrakte Normenkontrolle empfahl. Nicht nur der durch Paragraphen gebeutelte Zweitwohnungszwerg ist folglich darüber 'gestrauchelt', sondern auch der ausgebildete Jurist.
Gut nachzulesen ist dies bei 'Raumplanungs- und Baurecht in a nutshell' von Alain Griffel (2012), 2. Auflage, Seite 203ff. Dort wird immer unterschieden zwischen Mindestanforderungen aufgrund RPG und BGG. Klagen nach Raumplanungsgesetz (RPG) können relativ eng nach kantonallem Recht eingeschränkt werden, nicht aber nach dem Bundesgerichtsgesetz (BGG). Ebenso gilt es zu unterscheiden, dass bei einer Klage nach kRPG durch die Beschwerdebehörde eine volle Kognition (gesamte Betrachtungsweise) verlangt werden kann (dies muss explizit verlangt werden). Wird diese danach nicht in gesamter Kognition durch die Beschwerdebehörde abgehandelt, liegt eine Rechtsverweigerung vor. Bei einer Klage nach BGG geht es dagegen 'nur' um Rechtsverletzungen, z.B. kann gerügt werden, dass die gesetzliche Grundlage der Gemeinden fehlt.
Wichtig: Es können folglich ALLE Zweitwohnungseigentümer bis spätestens 19.2.2015 Einsprache erheben, auch wenn sie nicht nach kRPG Einsprache (Juni 2014) machten. Diese Einsprache ist aber 'nur' nach BGG und nicht nach (k)RPG zu verfassen. Auf der Homepage der Gemeinde Bürchen steht unter Lenkungsabgabe (alias Steuer), es könnten alle aufgrund Verfahrensfehler einsprechen. Natürlich versteht moosalbi.ch unter Verfahrensfehler etwas anderes, als dass z.B. keine Legitimation seitens der Gemeinde Bürchen zum Erlass einer neuen Steuer besteht. Moosalbi.ch stellt hier nüchtern fest: Texte, die derart effektiv sind, normale Erdenbürger/innen davon abzuhalten, ihre Rechte wahrzunehmen, verdienen derart viel Beachtung, dass es jeden Tag wieder spannend ist, kreativ zu deuten, was nun wohl mal wieder gemeint sein könnte. Ein guter Staat lebt davon, dass die Bürger/innen verstehen, was Sache ist, ein schlauer Staat mag dies anders handhaben, doch werden daraus nicht schlauere Staatsbürger/innen. Vielmehr leidet darunter Ansehen und Vertrauen in das Staatswesen ganz generell.
Zum Abschluss noch ein Müsterchen, das im weiteren Verlauf sicher nochmals zu Bewunderung Anlass geben wird. Es existieren im Wallis beim Richtplan sogenannte Koordinationsblätter, die der Staatsrat fernab von Parlament erlassen kann. Das Koordinationsblatt D.1/4 ist auf der Homepage 'Raumentwicklung' nicht auffindbar, obwohl dort die Koordinationsblätter in der Übersicht aufgeführt werden. Es kann jedoch über die allgemeine Navigation unter http://www.vs.ch/Navig/navig.asp?MenuID=239&Language=de erreicht werden.
Zu beachten gilt es dabei die beiden Sternchen hinter 'Integrierter Tourismus**': "unterliegt noch der Genehmigung durch den Bund; es ist bereits für die kantonalen und kommunalen Behörden verbindlich", so die versteckte Legende. Toll, dass der Staatsrat ein Koordinationsblatt erlässt, das er vom Bund noch genehmigen muss, es aber dennoch davor bereits einmal in Kraft setzt, womit wir das doppelt gesternelte dringliche Koordinationsblatt hätten, dass noch nicht einmal als solches gekennzeichnet ist. Noch 'hübscher' werden die Koordinationsblätter unter http://www.vs.ch/Navig/navig.asp?MenuID=3414&Language=de präsentiert:
Dort finden sich auf wundersame Art und Weise zwei Sternchen. Aber wer irgendwo nach einer Legende sucht, der wird nie und nimmer fündig; eine solche existiert dort gar nicht erst. Und warum ist dies so wichtig? Im besagten 'gesternelten' Blatt wird in absoluter Einmaligkeit überhaupt einmal das Wort 'Lenkungsabgabe…' (mit Pünktchen garniert) angeführt. Wohl angemerkt in einem Beschluss, der nicht dem Referendum unterstand. Pikanterweise war das geänderte kRPG, das solche 'Schlaumeiereien' zulässt (Stand Mai 2014) im Juni 2014, als betr. dem Bürchner Reglement Einsprache nach kRPG erfolgen musste, weder in Kraft, noch konnte dem damals gültigen kRPG entnommen werden, dass der Kanton Wallis den Anforderungen nach dem nationalen Raumplanungsgesetz überhaupt nachgekommen wäre.
Wetten dass, bis das Bürchner Reglement dereinst gebodigt oder durchgeboxt sein wird, gilt wieder ein anderes kRPG, denn die kantonalen Änderungen nach dem nationalen Raumplanungsgesetz dauern bis ins Jahr 2020 oder so. Machen wir uns also in Zukunft auf Gesetze gefasst, die mit vielen Pünktchen und Sternchen versehen sind, die wir im besten Fall nach einem mehrmonatigen Studienaufenthalt in unserer Zweitwohung verstehen können, auch wenn dannzumal sämtliche Fristen natürlich längst abgelaufen sein werden. Immerhin ist nach diesem Studium in unserer Zweitwohnung diese einer Erstwohnung gleichgestellt, denn das Ausführungsgesetz zur Weber-Initiative sieht genau dies vor. Davon demnächst mehr an dieser Stelle…