Zürich, 8. April 2015: Vor einigen Tagen hat moosabli.ch Post erhalten. Eine junge Frau aus Visp (die Eltern haben eine Zweitwohnung im Eigentum in Bürchen) geht in ihrer Maturarbeit Fragen zur Besteuerung von Zweitwohnungen nach. Dabei ist die Studentin der Handelsmittelschule auf moosalbi.ch gestossen und fragte an, ob moosalbi.ch bereit wäre, einen Fragebogen auszufüllen. Weil das Beantworten der Fragen doch einige Zeit kostete, entschied sich moosalbi.ch parallel zum Rücksenden des Fragebogens zur Veröffentlichung sowohl der Fragen als auch der Antworten an dieser Stelle.
a) Wie stehen Sie zur geplanten Lenkungsabgabe auf Zweitwohnungen in Bürchen?
Es ist keine Lenkungsabgabe, es ist eine Steuer. Es ist illusorisch anzunehmen, dass durch eine neue Steuer die Auslastung höher wird, einmal davon abgesehen, dass die Gelder noch nicht mal für eine Lenkung (höhere Auslastung) vorgesehen sind. Gerade darum ist es eine Steuer.
b) Bewirkt Ihrer Meinung nach die Lenkungsabgabe, was sich die Gemeinde davon verspricht? Warum sind Sie dieser Meinung?
Nein, aber das ist bei einer Steuer ja auch nicht das Ziel (die Steuer ist vorbehaltlos geschuldet). Und gerade darum braucht es eben auch eine gesetzliche Grundlage, die es nicht gibt.
c) Wie denken Sie, wird sich die Lenkungsabgabe auf die Zweitwohnungssituation in Bürchen auswirken? Wird sie sich verbessern, verschlechtern oder bleibt sie womöglich gleich?
Die Steuer (sollte der Kanton Wallis ein solches Gesetz einführen wollen, 2009 wurde es abgelehnt) wird bewirken, dass Bürchen extrem unattraktiv(er) wird.
d) Können kalte Betten durch Einführung der Lenkungsabgabe verringert werden? Falls nein, wie könnte dies auf anderem Weg geschehen?
Auf moosalbi.ch wird aufgeführt, dass bereits der Begriff kalte/warme Betten ein Kunstbegriff ist. Die Auslastung eines Hotelbettes ist heute in Bürchen auch bereits derart schlecht, dass die Betten mehr kalt denn warm sind (bei mehr als fünf Monaten geschlossenen Hotel-Türen sind die Betten im Urzustand kalt). Aber, nicht mal über Weihnachten/Neujahr waren/sind die Hotels (überprüft am 29.12.2014) ausgebucht.
Das Angebot, die Anzahl Betten ist zu hoch. Die Angebote sind für das Publikum nicht zeitgemäss — niemand reist mehr für sture Wochen an. Wahrscheinlich sollte die Gemeinde Bürchen ein paar Dutzend Chalets mieten und professionell sehr kurzfristig vermarkten (airbnb.com lässt grüssen). Jedenfalls sollte Bürchen die "Hoheit" über die Vermietung übernehmen, nur so kann Angebot und Nachfrage gesteuert werden. Es wird nicht reichen, wenn einige wenige in Eigenregie vermieten. Jeder wird darauf bedacht sein, seinen Stammgast zu halten, so kann keine Destination aufgebaut werden (mit Lenkung, was vorliegend nicht gegeben ist, ist dies noch viel weniger erreichbar — unter Zwang kann ich doch keine Gäste 'anlocken').
Ich denke, die Vermarktung, dies machen die Öesterreicher viel besser, siehe dazu Jean-Michael Burgener zum Thema 'Benchmark-Studie Wallis – Tirol bezüglich Massnahmen im Bereich Zweitwohnungen'. Nun möchte die Gemeinde mit Bürchen Mystic aber nochmalig 50'000 Betten Kapazität schaffen; ich kann mir nicht vorstellen, dass dies funktionieren kann. Es liegt nicht an den fehlenden Betten, sondern an den kommenden Gästen.
Daher professionelle Vermarktung. Nur, kein Eigentümer wird sein Objekt vermieten, wenn es sich nicht rentiert. Ich zahle Gebühren für den Eintrag in einem Verzeichnis, das seinen Namen nicht wert ist, ich renne Putzkraft und Wäsche hinterher, so funktioniert dies alles nicht. Es reicht auch nicht, die mittlerweile liquidierte Firma MeineFerien.ch (wohl angemerkt mit Subventionen der Gemeinde Bürchen) zu gründen und dem Eigentümer für das ganze Chalet (selbst im Vermietungsfall ab 12 Wochen) nebst einen Grundbetrag von 2000 Fränkli einen Obolus von 10% zu geben. 70/30 oder 60/40 (Eigentümer/Vermarkter) gingen, aber dann braucht es ein extrem professionelles Vorgehen.
e) Auf welchem anderen Weg könnte die Gemeinde Bürchen Ihrer Meinung nach dieses Geld erhalten?
Die Gemeinde Bürchen sollte sich die Frage stellen, ob eine neue Steuer der richtige Weg ist, um Gäste zu empfangen. Ich würde die Gemeindefinanzen nach unten schrauben (siehe Zeneggen) und das Angebot knapp und exklusiv halten — dann wird die Gemeinde von alleine attraktiv, für Gäste, Firmen wie Wohnsitz. Es kann doch nicht sein, dass die juristischen Personen in Bürchen gerade einmal einige wenige Zehntausender an Steuersubtrat einbringen. Wenn Bürchen für winsun und andere Firmen unattraktiv ist, dann sollte dies beseitigt werden. Wo bleibt das Bewusstsein für einen schlanken effizienten Staat?
f) Angenommen die Lenkungsabgabe wird eingeführt, wäre das für Sie ein Grund, Ihre Zweitwohnung zu verkaufen? Sei es jetzt aus finanziellen oder anderen Gründen.
Ja.
g) Was kann ein Zweitwohnungsbesitzer Ihrer Meinung nach tun um nicht von der Steuer betroffen zu werden bzw. trotz Lenkungsabgabe so wenig wie möglich bezahlen zu müssen?
Im schlechtesten Fall (für Bürchen): Der Gast macht nicht mehr dort Ferien (und das ist bereits zunehmend der Fall). Im minderen Fall (für den Gast): Er schraubt die Ausgaben runter (Essen mitbringen, keine Restaurantbesuche mehr, Handwerker vom Tal etc.).
h) Falls Sie noch kein Chalet in Bürchen besitzen würden, wäre die Einführung einer Lenkungsabgabe auf Zweitwohnungen der entscheidende Ausschlagpunkt, dass Sie sich schlussendlich gegen ein Objekt in Bürchen entscheiden würden?
100%. Jene Gemeinden, die diese Steuer nicht haben, sind wesentlich attraktiver als jene Gemeinden, die mit Krampf und Brecheisen daran "basteln". Letztlich hängt daran ja der ganze Steuerwettbewerb. Ich darf hier vielleicht nach Flims/Laax verweisen. Da vergammeln Hotels so lange, bis Asylunterkünfte daraus werden, und auch das 5-Stern-Hotel lässt sich mit dem Verkauf von Zweitwohnungen nicht rentabel betreiben (nun wurde der Konkurs verfügt). Dabei hat Laax/Flims erst gerade eine Gästetaxe über ca. 1800 Franken pro Jahr und Objekt eingeführt, das geht nicht ungestraft. Wer glaubt, langfristig über hohe Steuern, Abgaben und Subventionen gut zu fahren, wird dereinst bitter aus dem Traumschlaf gerissen.
i) Was spricht trotz Lenkungsabgabe für den Chalet Erwerb in Bürchen?
Die Stärken von Bürchen wären: Landschaft, Ruhe, Verkehrslage (2.5 Std. ab Zürich). Neue Steuern allerdings sind ein No-Go, siehe Silvaplana. Zudem werden neue Steuern dazu führen, dass die Kosten gesenkt werden müssen (siehe oben). Ein jedes Budget (auch jenes des Zweitwohnungseigentümers) ist beschränkt, der Gast kann bei steigenden Kosten nicht mehr ausgeben, und darum wird er alternativ(e) Ausgaben runterfahren.
j) Wie könnten die Gemeinde und die privaten Zweitwohnungsbesitzer in Bürchen zusammenarbeiten, damit am Ende beide Parteien zufrieden sind?
Der Eigentümer zahlt Steuern für Eigenmietwert, Vermögen, Liegenschaftssteuer, Wasser-/Abwasser, Strom, Sackgebühren, Kurtaxen. Ein Gast, der dort Ferien machen will, kann nicht ungestraft beliebig 'geschröpft' werden, ansonsten er anderswo Ferien macht. Auch sollte er nicht zum Mitmachen animiert werden, ein Gast will sich fernab von Sorgen und Arbeit erholen können. In dieser Hinsicht ist die Steuer eine Katastrophe, das Klima ist dahin, die Freude an Erholung ebenfalls. In diesem Sinne sollte die Gemeinde die Übung möglichst schnell abblasen. Je länger der 'Rechtsfight' andauert, desto teurer (insb. beim Goodwill) wird es für Bürchen.
Nebenbemerkung: In meinem/unseren Fall ist es insofern anders, als dass wir plus/minus die ganzen Schulferien und viele Wochenenden dort verbringen, weil ich dort arbeiten kann. Vielleicht liegt ja dort eine Chance, Bürchen als Teilzeitarbeits- bzw. Rückzugsort zu positionieren. Ebenso gäbe es eine Chance als Teilzeitwohnsitz im Alter. Wenn die Gemeinde Bürchen jene belohnt, die z.B. jährlich einige Monate dort leben, dann könnte Bürchen für die moderne Arbeitswelt bzw. das Alter attraktiv werden. Letztlich gibt es diese Rechtsgrundlage (Arbeiten) im neuen Zweitwohnungsgesetz (falls nun nicht doch noch das Referendum beschlossen wird) ab dem 1.1.2016. Ich zahle dann zwar keine Kurtaxe für meinen Teilzeitwohnsitz, und auch das Steuerrecht kennt diese Zweiteilung der Einkünfte (noch) nicht. Aber letztlich werden dort Ausgaben getätigt, wo jemand sich aufhält. D.h. die Chalets werden gepflegt, die Läden verkaufen alltägliche Güter, ich gehe ins Restaurant etc.
Das mag zunächst wenig attraktiv erscheinen, Städte wie z.B. Zürich leben mittlerweile aber ganz ordentlich damit. An sich sind die Pendler für Zürich nicht lukrativ. Aber, nach der Arbeit verbringen doch viele die Freizeit in Zürich, und gerade darum gibt es in Zürich ein äusserst lukratives Beizen- und Clubbusiness. Wie gesagt, das mag zunächst nach wenig aussehen, ist aber noch immer mehr, als wenn Zürich zur reinen Arbeitsstätte degradiert würde. Oder wenn in Bürchen am Ende die Objekte vergammeln und versiegelt werden.
P.S: Die Autorin der Maturarbeit hat versprochen, nach der Fertigstellung der Arbeit ein Exemplar an moosalbi.ch zu senden. Moosalbi.ch ist gespannt, wie die Resultate dieser Arbeit aussehen werden.
Update vom 13. Juli 2015: Inzwischen liegt die Maturarbeit vor, die wir hier gerne publizieren.