Die etwas andere Art der Gewaltenteilung
Unterwegs, 2. September 2017: Gemäss einer kleinen Randnotiz des Walliser Lokalsenders rro hat der Walliser Staatsrat das neue Bürchner Reglement zur Kurtaxensteuer homologiert. Moosalbi.ch nimmt zur Kenntnis, dass die Walliser Regierung damit nicht einmal die eigenen Gesetze anwendet.
Nach dem Walliser Tourismusgesetz müsste das Bürchner Reglement neben der Kurtaxe eine Beherbergungstaxe oder eine Tourismusabgabe enthalten. Doch, wie moosalbi.ch bereits früher berichtete, das homologierte Reglement verzichtet ganz und gar auf eine Beherbergungstaxe oder Tourismusabgabe.
Moosalbi.ch fragt sich hier schon, mit welcher Gleichgültigkeit der Walliser Staatsrat die eigenen Gesetze anwendet bzw. vorliegend eben gerade nicht anwendet. Moosalbi.ch kennt die einzelnen Staatsräte nicht. Bekannt ist moosalbi.ch hingegen, dass mit Christophe Darbellay ein Top-Shot der CVP-Garde neu im Staatsrat vertreten ist.
Es muss daher leider davon ausgegangen werden, dass der vorliegende Beschluss durchaus CVP intern als korrekt betrachtet wird. Mag sein, dass die Bürchner Verntwortlichen hier einbringen würden, die Tourismusabgabe komme noch. Doch selbst wenn dem so sein sollte, so kann der Staatsrat kein Reglement verabschieden, dass ein anderes Reglement bedingt, das erst in der Zukunft allfällig verabschiedet wird.
Zu befürchten bleibt, dass die Tourismusabgabe gar nicht kommt, denn im Strategiepapier zur neuen Kurtaxe steht ja explizit, die Erhöhung betrage nicht 2 Franken, sondern 1,50, da in den neu vier Franken die bisherige Beherbergungstaxe von 50 Rappen bereits enthalten sei, und diese entfalle nun.
Dass genau dies gemäss dem Walliser Tourismusgesetz gar nicht möglich ist (Kurtaxe zahlen alle Gäste, die Beherbergungstaxe die Vermieter/innen), war von Anfang an klar, genauso wie die Tatsache, dsss es die ins Reglement gemeisselten 49 Nächte mit Vollbelegung nie und nimmer gibt. Zur Erinnerung, mehr als 24 bis 25 Nächte gibt es in Bürchen gemäss der Buchhaltung des Tourismusbüros nicht.
Aber warum auch die eigene Buchhaltung oder das eigene Tourismusgesetz anwenden, wer will denn schon rechnen und Gesetze beachten? Das nimmt mitunter sehr bizarre Züge an. Seit dem 1. Januar 2017 gibt es auf der offiziellen Walliser Homepage vs.ch die vielsagende Meldung, es würden gerade Wartungsarbeiten durchgeführt, die Gesetze könnten nicht nachgeführt werden. Ist vielleicht auch besser so, wenn niemand mehr weiss, welches Gesetz jetzt gerade gilt.
Dies ganz nach dem Motto l'état c'est moi – oder frei übersetzt (aber korrekt ab einem offiziellen Schreiben des Bürchner Gemeindepräsidenten zitiert): “Massgebend ist das …reglement der Gemeinde Bürchen und nicht Gesetze anderer Kantone oder Gemeinden.” Moosalbi.ch hatte dabei vorgängig auf zwei Urteile verwiesen, auf ein Kantons- und auf ein Bundesgerichtsurteil.
Wenn schon der Bund nicht mal erwähnt und Urteile anderer Kantone ignoriert werden, möge dem Gemeindepräsidenten doch ins Ohr geflüstert werden, wieviel Geld der Kanton Wallis vom Bund und anderen Kantonen aus dem Finanzausgleich erhält. Es sind 2017 immerhin 588 Millionen Franken, bei 339060 Einwohner/innen ergibt dies über 1734 Franken pro Kopf. Zum Vergleich: Griechenland erhält pro Kopf 454 Euro aus dem europäischen Topf.
“Wie macht das Wallis das?” fragt da der Tages Anzeiger vom 5. Juli 2017, denn im Wallis werden z.B. Doppelverdiener mit 150'000 Einkommen mit zwei Kindern so milde besteuert wie in den Tiefsteuerkantonen der Innerschweiz. Der Chef der kantonalen Steuerverwaltung sagt dazu: “Wir wollen Familien nur moderat besteuern, das ist der erklärte Wille des Gesetzgebers”. Gut, dass wir uns einig sind, dass die Gesetze da sind, um sie zu befolgen.
Doch wie wir am Bürchner Kurtaxenreglement sehen, dem ist eben nicht so. Für 1734 Franken Transferzahlungen leistet sich das Wallis eine Gewaltenteilung, welche längst den Rottu hinabbrausend im Genfersee entsorgt ist. Wenn die obere Regierung (Staatsrat) ein nicht konformes Gesetz einer unteren Gemeinde im Wissen durchwinkt, dass es bei der Verabschiedung dem Kern des Tourismusgesetzes widerspricht, dann tritt diese Regierung die Gewaltenteilung mit den Füssen.
Die Behörden wissen nur zu gut, dass bis ein unabhängiges Gericht zu einem Urteil kommen wird, Jahre vergehen. In der Zwischenzeit werden Millionen kassiert. Wer sich wehrt, zahlt die Zeche beim Anwalt, wer sich nicht wehrt, zahlt sofort. Jetzt bitte trotzdem weiterlesen, ausgerechnet der Walliser Staatsrat hat auch an die Zweitwohnenden gedacht, als das Tourismusgesetz verabschiedet wurde, dazu später mehr.
In einem funktionierenden Staatengebilde müsste, bei klaren Rechtsverstössen durch eine Gemeinde und den Staatsrat, die Presse darüber berichten. Im Wallis ist auch dies etwas anders. Berichtet wird staatskonform über den harten Weg, über viel Aufklärungsarbeit, und dass es schlussendlich aufgegangen wäre. Der entsprechende rro-Beitrag erinnert moosalbi.ch weit mehr an vergangene kommunistische Zeit(ung)en denn an eine freie, vielfältige Berichterstattung.
Und noch ein Problem ortet moosalbi.ch bei der Medienlandschaft. Wenn der abtretende Walliser Alt-Staatsrat Cina fast gleichzeitig zum SRG-Verwaltungsratspräsidenten ernannt wird (das Departement führt rein zufälligerweise die CVP-Bundesrätin Leuthard), dann fragt sich moosalbi.ch schon, welche Fähigkeiten für so ein Amt wichtig sind. Über die medienspezifischen Fähigkeiten von Alt-Staatsrat Cina ist moosalbi.ch nichts bekannt, aber doch, das falsche Parteibuch hatte der Kandidat Cina sicher nicht.
Moosalbi.ch hat damit explizit nicht gesagt, dass Herr Cina als Verwaltungsratspräsident direkt Einfluss auf Sendungen der SRG ausüben wird. Allerdings bestimmt der Verwaltungsrat bis hinunter zur zweiten Führungsebene mit programmrelevanter Verantwortung die Führungskräfte (die Worte entstammen der Homepage SRG SSR). Entlarvend im übrigen auch die beiden TV-Spots. Im Wallis nennt sich das 'ins Herz gemeisselt', bei SRF ist es die 'Schweiz im Herzen'.
Wenn ein Alt-Staatsrat direkt Vorgesetzte mit Programmverantwortung bestimmt, dann scheint moosalbi.ch die 'vierte' Gewalt im Staate nicht mehr in Stein gemeisselt zu sein, und auch das Herz schlägt da wohl am falschen Eck. Oder sagen wir es so: Es entspricht einer gewissen Logik, dass unter diesen Prämissen auch in den SRG-Medien wie selbstverständlich nicht über einen Staatsrat berichtet wird, der entweder das Bürchner Reglement oder das aktuelle Tourismusgesetz einfach nicht gelesen hat.
Bleibt zu hoffen, dass am Ende wenigstens das oberste Gericht des Landes das Gesetz anwendet, auch wenn der Fall Andermatt leider zeigt, dass selbst dies mittlerweile nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden kann. Was heisst dies nun alles für das homologierte Bürchner Reglement? Moosalbi.ch wird dafür einstehen, dass das Reglement zur Überprüfung gelangt. Ob und wann es dazu allerdings ein Urteil gibt, dies ist leider weder ins Herz gemeisselt noch hilft da die Schweiz im Herzen.
Über das eidgenössische Volksmusikfest Crans-Montana 2019 werden die SRG-Medien ganz sicher sehr ausführlich berichten, über eine Olympia-Kandidatur von Sion 2026 sicher auch. Wer dann dabei denkt, da habe sicher der Herr Cina die Finger im Spiel, liegt ganz genau richtig. Als VR-Präsi SRG und OK-Chef der beiden Events wird er sicher dafür sorgen, dass darüber berichtet wird.
Der gleiche Herr Cina möge hier aber auch einmal daran erinnert werden, was er seinerzeit im Parlament zum neuen Tourismusgesetz sagte: “Wir haben Homologationsverfahren, wir haben Rekursmöglichkeiten, wir können das Reglement der Gemeinde angreifen, wir haben einen demokratischen Prozess, wir haben Kontrollmechanismen, die wirklich da sind und die verhindern, dass hier Missbrauch getrieben wird.” Und just bevor zur Abstimmung geschritten wurde: “Es ist klar, dass ein Hotelgast nicht eine Beschwerde machen wird. Bei den Eigentümern von Zweitwohnungen wird es anders sein… Die werden sich dann das überlegen, aber der Hotelgast selbstverständlich nicht. Wir haben Schutzmechanismen eingeführt, die wirklich auch die Kunden schützen werden.”
Da musste der Herr Cina ja zum SRG-Verwaltungsratspräsidenten abgeschoben werden, es muss nun doch wirklich aktiv verhindert werden, dass die gegen das Tourismusgesetz erfolgte Homologierung des Bürchner Reglements, die von den ehemaligen Staatsrats- und Parteikollegen begangen wird, dank aktiven Kontrollmechanismen jetzt nicht auch noch in die Medien gelangen kann. Toll gemacht, wenn auch nicht im Sinne des Gesetzes, aber dies scheint für den Juristen Cina und den ehemaligen CVP-Präsidenten Darbelley nun wirklich nicht so zentral zu sein. Die Zweitwohnenden können ja Beschwerde einlegen, noch besser, sollen es sich solange überlegen, bis die Frist um ist.
Die Frist zur Einsprache betr. dem Bürchner Kurtaxenreglement ist Ende September um. Ob die viel gepriesenen Kontrollmechanismen greifen, wir werden sehen. Nur von einem ist moosalbi.ch überzeugt: Mit oder ohne neuer Bürchner Kurtaxensteuer, dem Tourismus in Bürchen und im Wallis wird damit nicht geholfen sein. Vielmehr vertreiben derartige Reglemente die treusten Generationen für lange Zeit oder gar für immer. Selbst in Bürchen ist es mittlerweile so, dass die Preise bei den Wohnungen massiv fallen und Objekte jahrelang keine Käufer/innen mehr finden. Wenn auch die Regierung versagt, die Gewaltenteilung mehr als hinkt und die Medien in den staatspolitischen Tiefschlaf verfallen, Hauptsache es kann kassiert werden.
In diesem Sinne verzichtet moosalbi.ch gerne auf Ferien in Bürchen. So vermögen zwar die Walliser Staatsräte die Gewaltenteilung zu 'brechen', kommunistische Zwangsferien in Bürchen können zum Glück auch sie – zumindest vorerst – noch keine vorschreiben. Und falls doch, werden bis dahin sicher noch immer Wartungsarbeiten auf der offiziellen Homepage vs.ch durchgeführt (die Kontrollmechanismen werden da schon greifen), Herr Cina wird die OK-Fahne am Fernsehen dannzumale in der Endlosschleife schwingen und Staatsrat Darbelley noch immer die Schweizer Illustrierte (eine Home-Story mehr kann nie schaden) statt das Walliser Tourismusgesetz lesen. Es dürfen Wetten abgeschlossen werden, ob es eher ein Bundesgerichtsurteil zur Bürchner Kurtaxensteuer gibt oder das Wallis bei den Transferzahlungen die Milliarde knackt.
Damit wir die Relation in Sachen Kurtaxensteuern nicht vergessen. Aktuell werden im Wallis die Kurtaxen bei den Zweitwohnungen allerorts von ca. 100-200 auf 1000-2000 Franken pro Jahr angehoben, dies ergibt für das Wallis bei 100'000 Zweitwohnungen schon mal (bei 1000 Franken mehr pro Objekt und Jahr) 100 Millionen neue Kurtaxensteuern pro Jahr. Die Milliarde wird mit solch neuen Transferzahlungen (anders kann mooslbi.ch eine solche Kurtaxensteuer nicht einordnen) damit bald geritzt.
Wem dies jetzt doch etwas dick aufgetragen erscheint, kann ganz profan und unsatirisch bis Ende September beim Bundesgericht eine Beschwerde zum Bürchner Reglement einreichen. Und an die Freunde in Unterbäch: Auch bei Euch läuft der Spuk im gleichen Zeitfenster ab, denn beide Reglmente wurden am 1. September 2017 im Amtsblatt homologiert. Mehr dazu später auf moosalbi.ch.
P.S: Dass obenstehend eine Partei gehäuft zu Ehren kommt, dies ist selbstverständlich nicht beabsichtigt, lässt sich im Wallis aber wohl nicht ganz vermeiden.